Donnerstag, 20. Januar 2011

Impressions of a Videodreh. oder: Der schmale Grat zwischen Frostfuß und Brennhals.

Außendreh – Vorderstoder/OÖ, 18.-19.12.2010

„Are we human or are we Eiszwerg“

"Ja, da schau her. Ein Husky beißt den Kameramann!" - Peter und Maurice staunen nicht schlecht.(Niko Ostermann)
Meine edlen Damen und Herren, da wagen wir uns doch um halb 8, noch vor dem morgendlichen Espressogelage, ins hohe Hochland um die extern aufgenommenen Szenen für unser Video ‚Karibische Träume’ zu drehen. Bei der Hinfahrt sind 3/4tel der Band mit Sicherheit, durch diverse Schwächungen, halbtot. Die, mit Verlaub, komische Angewohnheit unseres Chaffeurs und Gitarrengotts Mike beim Autofahren immer die schrägsten und grausamsten aller Volksmusiklieder reinzuschieben, raubt mir auch heute meinen Verstand. Nichts desto trotz, es ist irgendwie witzig. Draußen ist es dunkel. Der Gentleman am Nebensitz des Mickens, Maurice, hat keine Scham davor uns den Garaus zu machen und tatsächlich die Lieder mitzusingen. ‚Und dann brauch i de Berg, und de Sunn, und de Freiheit...’. Hätt ich eine Knarre, würd ich den vermaledeiten Radio in die Luft jagen. Aber okay, weiter im Text. Nach 45 Minuten wackerer Fahrt auf den weißen, prächtigen Autostraßen Oberösterreichs erreicht die Mannschaft, inklusive dem guten Engel Cotschi, ihr Ziel. Irgendwo ganz weit oben sind wir, das weiß ich. Da wo sich Fuchs und Henne ‚Halt die Klappe’ sagen, weil eine gute Nacht zu kalt wär. Wir steigen aus, inspizieren die Szenerie und fixieren eine nette, weil lächelnde Frau, die uns erklärt, dass wir hier willkommen sind. ‚Schön’, denk ich mir. Kalt ist es, das weiß ich. Wir betreten den Aufenthaltsraum, talken small mit der Frau, die offensichtlich Eigentümerin dieser bezaubernden, weil alten Pension ist. Dann geht irgendwie alles ganz schnell. Antonin Pevny, seines Zeichens der Welt größter Regisseur (zumindest denk ich mir, ich kenn ja nicht so viele andere) und seine Filmfamilie entern die Szenerie. Wolfgang, der Herr über die Hunde, und seine Gefolgschaft ebenso. Ein Haufen Leute in einem kleinen Aufenthaltsraum. Ehe ich’s mich verseh, steck ich in grünen Generalsklamotten, einer russischen Wärmehaube und trage 4 Hosen. Ich schwöre, ich hatte noch niemals zuvor in meinem Leben eine derartige Menge an Hosen übereinander an. Auch die anderen gehen klamottentechnisch an ihre, eh schon geringe, Toleranzgrenze. Mike bekommt eine Oma-Mütze verpasst, Maurice diese komischen Hosen mit den Falten drin, und Peter wird in eine Bundesheer-Jacke gesteckt. ‚Ulkig’, denk ich mir.
David-Bowie-Hund.(Niko Ostermann)
Wir wussten ja schon vorher, dass hier irgendwann mal irgendwie eine Schar von Huskies eintreffen sollte, nur mit dem Folgenden hat wahrscheinlich keiner von uns gerechnet: Während wir den Berg zum Drehort erklimmen, begrüßen uns gefühlte 50 unfassbar schöne Huskies, alle entlang einer Reihe aufgestellt mit einem herzzereißenden Jaulen. Ich fühle mich wie Queen Elizabeth und winke den Hunden zu, während ich bemerke, dass tatsächlich jeder Hund (oder ist das eigentlich ein Wolf?) einen individuellen Laut von sich gibt. Einer bellt wie eine Ente. Einer scheint sich fürchterlich zu beschweren. Einer versucht zu gähnen. Müdigkeit, wie ich vermute. Einer sieht aus wie David Bowie. Einer hechelt jetzt schon wie außer Atem. Der wohl typische Ablauf, wenn man einem Husky zum ersten Mal als Freund begegnet, erfolgt als nächstes. Die Mannschaft streichelt oder zumindest, berührt sie. Es hat ungefähr -12 Grad.

„I got my Mojo working“

"Kein Wunder, dass es dich ständig runterschmeißt..." - Ich mit dem Hundeflüsterer. (Niko Ostermann)
Wieder geht alles furchtbar schnell. Noch ehe ich richtig verstehe, wie man so einen Hundeschlitten bedient, bin ich alleine, umgeben von weißem Wald und 5 Huskies, die mich begeistert und ohne Rücksicht auf Verluste hinter sich herziehen. ‚Verdammt, ich kenn ja nicht mal den Weg’, denk ich mir. Langsam macht sich Unsicherheit in mir bemerkbar, je höher der Schnee wird und je schneller die Hunde. Ich schreie irgendwas von ‚links’ und ‚Stopp’, doch ich spreche wohl kein Huskisch. Auf einmal, wie von Zeus gepiekst, macht mein Schlitten einen argen Satz nach links, die Zentrifugalkraft (oder was auch immer) ist viel zu heftig und ich fliege wie der Schlierenzauer über den Schnee. Mit dem einen Unterschied, dass ihm wahrscheinlich noch nie die Wölfe davonliefen. Gut, Akklimatisierungsphase bestanden, ich hab mich an die Hunde gewöhnt. Oder so. Maurice und Peter entpuppen sich schnell als wahre Dompteure der Hunde. Wahrscheinlich liegt das dran, dass ihre Hunde um ein Vielfaches lahmer sind als meine. Offensichtlich wurde jedem Charakter von uns ein adäquater Hundehaufen zusammengemixt. Ich bekomm die schönen und starken. Und der Mike, naja, der bekommt die jungen, süßen, aber auch schnell müden Hunde.

„Sorrow, tears, blood & tea“

Die Mannschaft mit der Welt größtem Regisseur. AP erklärt uns fluffig, dass Schnaps am Set keine Lösung sei.(Niko Ostermann)
Nach gefühlten 8 Stunden Aufenthalt entweder drauf, drunter oder neben dem Schlitten lässt uns Antonin Pevny, seines Zeichens der Welt größter Regisseur (zumindest denk ich mir, ich kenn ja nicht so viele, und mittlerweile bin ich mir fast noch eine Spur sicherer) immer und immer wieder die selben Strecken fahren und zaubert/fuchtelt ständig mit einem roten Tuch vor seinem Kameramann herum. Mittlerweile hat ein jeder von uns aufgehört zu denken. Irgendwie befindet sich jeder in einer Art Trance. Einem Überlebensinstinkt. Der darin gipfelt, dass ich mir sogar Tee aus der Thermoskanne über die Finger kippe, nur um zu spüren, ob sich da überhaupt noch sowas ähnliches wie Blut oder weiß der Teufel was, befindet. ‚Nichts’, denk ich mir. Ich bin wohl klinisch tot.
Mike murmelt auch was dahin von wegen, er hasse sein Leben und wär jetzt gern in einem warmen Bett. Zum Glück geht’s uns allen dreckig, sagen wir, nichtsahnend, dass die kältesten Szenen für Maurice ja erst am nächsten Tag passieren.


Innendreh – Linz/OÖ, 09.01.2011

Rechts hinten: Scheinwerfer. Mitte oben: Schlange, die versucht Maurice's Haarpracht zu zerstören.(Christoph Kregl)
„Stop the ice from getting thinner“

Für das Video seien noch so genannte Hüttenszenen vorgesehen, bekommen wir von oben erklärt und treffen uns, wiederum um 8, in einem hypersuderduper-professionellen Filmstudio in Linz. Die Mannschaft ist mittlerweile eingespielt, wir werden geschminkt und eingekleidet. Das Schminken macht mir unheimlich viel Freude, weniger weil ich einen Hang zu Make-Up und Puder habe, sondern mehr weil ich noch furchtbar müde bin, und man optimal entspannen kann, wenn einer mit einem Minipolster in deinem Gesicht herumstreichelt. Der Innendreh unterscheidet sich eklatant vom Außendreh: Es gibt keine Huskies, es ist halbwegs warm und wir sind eingepfercht auf einem Raum, dessen Größe einer Briefmarke gleicht. ‚Wenigstens gibt es Sofas’, denk ich mir.
"Wir verneigen uns vor deiner unermesslichen Herrlichkeit, du Göttin...." - Gaben für die Eisprinzessin.(Christoph Kregl)
Doch dann, liebe Leser, passiert eine Begegnung, mit dem von uns in diesem Ausmaße niemand gerechnet hat. Nun ja, ertappt, ich übertreibe. Aber zumindest stand uns der Laden offen, als doch tatsächlich ein Model das Set betritt. Sie heißt Maggie, und wird unter ständiger, heimlicher Beobachtung von uns Vieren geschminkt und angezogen. Da wären wir also. 4 Buben, die einem hübschen Model zusehen, wie es noch hübscher gemacht wird, um in unserem Video am hübschesten auszusehen.
Wer will sich mit so einer Frau anlegen?(Christoph Kregl)

„God’s conna gut you down“

Dann wird es aber langsam grausam. Eine selbst zugefügte Qual. Wir haben zwar Spaß im Studio, man kann jedoch beobachten wie jeder von uns durch 4 Phasen des Verrücktseins wandelt. Zuerst die überdrehte, singende Phase. Gefolgt von der nervenaufreibenden Jammerlappenphase, abgelöst von einer noch deprimierenderen ‚ich kann nicht mehr’-Suizidnahen Phase. Und dann der Schlusspunkt: Das Imitieren von Abnormalen, begleitet durch unkontrolliertes Herumlaufen.
Nach 16 Stunden drehen, warten, drehen, warten, drehen, essen, warten, drehen ist das aber doch auch ganz normal. Oder nicht?

Auch Maurice wurde durch die Innenaufnahmen langsam verrückt  - seine Augen beweisen es.(Christoph Kregl)
Das fix und fertige Video kann man übrigens auf youtube anschauen.

Andreas Födinger.